Wie wichtig sind gesunde Banken für den europäischen Aktienmarkt? Dieser Frage geht die Studie „The Relevance of Banks to the European Stock Market“ von Andreas Kick (Universität Regensburg) und Horst Rottmann (Ifo-Institut, Ostbayerische Technische Hochschule Amberg-Weiden) nach.
Die Autoren konstruieren einen Risikofaktor für Institute, die vor allem im Kreditgeschäft tätig sind. Dieser basiert auf der Distance to Default (DD), die misst, wie weit eine Bank von ihrer möglichen Pleite entfernt ist. Der Wert repräsentiert die auf 1 Jahr projizierten Vermögenswerte abzüglich der dann fälligen Schulden. Fallende DD-Werte weisen auf einen Abwärtstrend beim Zustand der Banken hin. Aus einer früheren Studie zum US-Markt weiß man, dass das negativ für die Aktien anderer Unternehmen ist.
![Pleiteabstand Banken Europa Zeitablauf](https://www.marko-momentum.de/wp-content/uploads/2024/12/pleiteabstand-zeitablauf-1024x630.png)
Erst seit Einführung des Euro in der Europäischen Währungsunion (EWU) im Jahr 1999 kann die Eurozone als gemeinsamer Markt betrachtet werden. Die Forscher untersuchen deshalb den Zeitraum von 1999 bis 2020. Dabei werden Daten der 19 EWU-Länder plus Großbritannien und Schweiz analysiert. Der relativ kurze Zeitraum hat sowohl Vor- als auch Nachteile. So leiden die Ergebnisse nicht unter früheren Effekten, die heute bereits verschwunden sein könnten. Gleichzeitig sind in den Daten weniger Krisen enthalten, deren Auswirkungen auf die Realwirtschaft untersucht werden können.
Ergebnisse und Erklärungen
Die Portfolios werden nach Exposure der Banken gegenüber dem beschriebenen Risikofaktor sortiert. Dabei zeigt sich, dass der Pleiteabstand überraschend keinen Erklärungsgehalt für die erwarteten Querschnittsrenditen in der Stichprobe hat. Das ist ein Widerspruch zu Ergebnissen einer Studie zum US-Markt, wo der Zusammenhang durch ein klares Muster dokumentiert ist.
Doch wie lässt sich erklären, dass die Bankengesundheit für die Aktienrenditen europäischer Nicht-Finanzunternehmen anders als in den USA keine entscheidende Rolle spielte? Zum einen betrachtet die Analyse nur den relativ kurzen Zeitraum seit Gründung der EWU. In den 1960er bis 1990er Jahren spielten Banken aber eine größere Rolle zur Finanzierung von Unternehmen. Die Studie zum US-Markt deckt diesen längeren Zeitraum ab. Zudem sind US-Banken stärker am Aktienmarkt aktiv als europäische Institute. Das kann in Krisen deren Handlungsspielraum einschränken und sich entsprechend auf die Kurse auswirken. Und was den großen Einbruch im Jahr 2008 angeht, kamen die Probleme aus den USA. Die Gesundheit der europäischen Banken war dafür nicht kausal. Eine weitere Erklärung ist, dass die Europäische Zentralbank nach der globalen Finanzkrise die Zinsen senkte und bis zum Ende des Untersuchungszeitraums sehr niedrig hielt. Ankaufprogramme für Vermögenswerte stellten Liquidität zur Verfügung und strenge regulatorische Anforderungen sorgten für reduzierte Aktivitäten im risikoreichen Investmentbanking. Demnach könnten die Ergebnisse auf die erfolgreiche Regulierung des europäischen Bankensektors hinweisen.
Doch es gibt dazu noch eine andere Interpretation: Die Banken in Europa wurden häufig durch staatliche Interventionen gestützt bzw. gerettet. Damit sollten systemische Schocks verhindert und die Folgen von Bankenkrisen auf die Realwirtschaft abgemildert werden. Marktteilnehmer könnten daraus gelernt haben, dass man auf staatliche Rettungsmaßnahmen für notleidende Banken vertrauen kann, sodass auch bei abnehmender Gesundheit des Bankensektors kaum Nervosität aufkommt. Eine solche Konditionierung wäre aber bedenklich. Denn wenn die Marktteilnehmer davon ausgehen, Schutz vor systemischen Problemen im Bankensektor zu genießen, könnten sie die bestehenden Gefahren für die Zukunft ganz einfach unterschätzen. Und unterschätzte Risiken können früher oder später durchaus relevant für die Märkte werden.
Fazit
Bankenkrisen wirkten sich in Europa nicht auf den breiten Aktienmarkt aus.
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst ausführlicher in Smart Investor.
Quelle:
[1] Kick, A. / Rottmann, H. (2022), The Relevance of Banks to the European Stock Market, CESifo Working Paper No. 9752