Daytrading ist (nahezu) aussichtslos?!

Wer im Internet nach dem Thema „Day Trading for a Living“ sucht, findet so manchen ermutigenden Artikel sowie verschiedene Ausbildungsangebote. Insgesamt geht daraus der Konsens hervor, dass es zwar schwer ist, Daytrading als Beruf zu erlernen und zu betreiben, aber mit genügend Übung und Erfahrung durchaus möglich.

Die Ergebnisse der Studie „Day Trading for a Living?“ [1] widersprechen dieser Einschätzung deutlich. Die Forscher nutzen einen umfangreichen Datensatz der Aufsichtsbehörde Comissão de Valores Mobiliários, der sogenannten „brasilianischen SEC“. Darin machen sie insgesamt 19.646 Personen aus, die im Zeitraum von 2013 bis 2015 erstmals den Mini-Ibovespa-Future handelten. Dieser ist das bevorzugte Instrument brasilianischer Daytrader und mit 706 Millionen Kontrakten im Jahr 2018 einer der weltweit am häufigsten gehandelten Aktienindex-Futures.

Die betrachteten Daytrader werden anschließend je nach Anzahl der Tage, an denen sie handelten, in Gruppen sortiert und auf Profitabilität hin untersucht. Daraus ergibt sich beispielsweise, dass 29,8 Prozent der 1111 Trader, die nur einen Tag handelten, nach Kosten einen Gewinn erzielten. In den übrigen Gruppen erzielen nach Kosten einen Gewinn:

● 15,5 Prozent der 9978 Trader, die 2-50 Tage handelten

● 8,9 Prozent der 3100 Trader, die 51-100 Tage handelten

● 6,8 Prozent der 2738 Trader, die 101-200 Tage handelten

● 5,4 Prozent der 1168 Trader, die 201-300 Tage handelten

● 3 Prozent der 1551 Trader, die mehr als 300 Tage handelten

 

Anteil Daytrader Gewinn Kosten Futures Brasilien
Die Grafik zeigt den Anteil profitabler Trader in Abhängigkeit von der Anzahl aktiver Trading-Tage. Schwarze Linie: vor Kosten (mit 95-Prozent-Konfidenzintervall), rote Linie: nach geschätzten Transaktionskosten (mit 95-Prozent-Konfidenzintervall). Quelle: Chague, F. / Giovannetti, B. / De-Losso, R. (2019), Day trading for a living?, S. 13

 

Die Auswertung zeigt, dass der Prozentsatz erfolgreicher Daytrader mit zunehmender Trading-Dauer immer weiter abnimmt. In der Gruppe der Trader, die mehr als 300 Tage handelten, sind nur noch 47 Personen profitabel. Damit liegt ein ähnliches Muster vor wie etwa bei einer Untersuchung von Roulettespielern in einem Casino – auch dort nimmt der Anteil erfolgreicher Akteure mit zunehmender Anzahl an Durchgängen ab.

Trotz der sehr geringen Erfolgsquote könnte es sein, dass die Trader dazulernen. Die Forscher führen dazu weitere Untersuchungen durch, die jedoch zu einem negativen Ergebnis führen: Der erwartete Gewinn bleibt stets negativ und verbessert sich mit zunehmender Handelsdauer und Erfahrung nicht. Außerdem sind auch die besten Akteure nicht in der Lage, konsistent zu handeln, da ihre Gewinne sehr hohen Standardabweichungen unterliegen. Zudem sind die von ihnen erzielten Gewinne nicht sehr hoch:

● nur 17 Trader (die besten 1,1 Prozent der Gruppe mit mindestens 300 Handelstagen) verdienten mehr als der brasilianische Mindestlohn von 16 US-Dollar am Tag

● nur 8 Trader verdienten mehr als das Einstiegsgehalt eines Bankangestellten (54 US-Dollar pro Tag)

● der beste Trader verdiente durchschnittlich 310 US-Dollar am Tag

 

Die Forscher stellen im Untersuchungszeitraum einen erheblichen Anstieg von algorithmischen Handel bzw. High-Frequency-Trading (HFT) fest. So betrug der Anteil von durch HFT abgeschlossenen Trades im Jahr 2012 noch 11,6 Prozent, aber im Jahr 2017 rund 42 Prozent. Entsprechend könnte der ausbleibende Lerneffekt durch zunehmend schwierigere Bedingungen erklärbar sein. Deshalb bereinigen die Autoren die Regressionen zum Lerneffekt um den HFT-Einfluss. Daraus ergibt sich, dass zunehmendes HFT einen negativen Einfluss auf die Profitabilität der Daytrader hat. Allerdings verbleibt auch ohne diese zusätzliche Erschwernis kein Lerneffekt.

Abschließend weisen die Autoren darauf hin, dass sich private Daytrader scheinbar nicht darüber im Klaren sind, wie schlecht die Erfolgsaussichten in diesem Bereich tatsächlich sind. Sie schlussfolgern, dass es für Einzelpersonen nahezu unmöglich ist, Daytrading erfolgreich als Beruf zu betreiben. 97 Prozent der Langzeit-Trader verloren Geld und nur 0,4 Prozent von ihnen verdienten mehr als ein Bankangestellter.

 

Kritische Beurteilung

Das scheinbar eindeutige Ergebnis möchte ich dennoch hinterfragen. Es wurden Einsteiger untersucht, denen man von Vornherein keine große Chance im extrem herausfordernden Umfeld des Daytradings zuschreiben würde. Auch die in der Studie betrachteten Trader mit 300 Tagen „Erfahrung“ sind wahrscheinlich keine echten Profis. Ich kenne persönlich einige (wenige) erfolgreiche Daytrader, die seit Jahren klar profitabel sind. Das Problem sind wohl vor allem die kleinen Stichprobengrößen, um das statistisch sinnvoll untersuchen zu können. Ein großer Datensatz erfolgloser Einsteiger ist dagegen leichter zu beschaffen.

Dennoch würde ich die Wahrscheinlichkeit für dauerhaften Erfolg im Daytrading auf unter ein Prozent schätzen, wenn man zu Beginn von der Anzahl aller Menschen ausgeht, die damit anfangen. Es sind mehrere Gründe, die aus meiner Sicht dazu beitragen, dass Daytrader früher oder später aufgeben:

● kleine, kurzlebige Ineffizienzen: Man muss sehr gut darin sein, Chancen sofort zu erkennen und ohne „Nachdenken“ zu nutzen; hierfür sind unterstützende Programme und Algorithmen notwendig, um dauerhaft schnell genug und im richtigen Umfang reagieren zu können

● psychologische Stabilität: Kurzfristig können richtige Entscheidungen zu Verlusten führen. Der Markt kann grausam und unkalkulierbar sein. Und auch (teure) Fehler sind kaum zu vermeiden. All das macht Daytrading mental extrem anspruchsvoll.

● Opportunitätskosten: Daytrading erfordert einen hohen Aufwand an Zeit und mentaler Energie. Entsprechend „teuer“ ist der Verzicht auf entgangene Möglichkeiten in Beruf und Privatleben.

 

Weitere Studien

Die Autoren nennen zwei andere Studien, in denen die Erfolgsaussichten von Daytradern in Gruppen mit verschieden langer Handelserfahrung untersucht wurden: „The Cross-Section of Speculator Skill: Evidence from Day Trading“ (2014) und „Learning, Fast or Slow“ (2019). [2] [3] Beide kommen zu dem Ergebnis, dass weniger als 3 Prozent der regelmäßigen Daytrader konsistent Gewinne erzielen (was schon etwas positiver klingt).

Allerdings zeigte die 2014er Studie auch, dass die besten regelmäßigen Daytrader sehr hohe, konsistente Gewinne erzielen, was viele andere ermutigen könnte, es ebenfalls zu versuchen. Die Autoren der aktuellen Studie führen das auf den Datenzeitraum dieser Untersuchung zurück, der sich von 1992 bis 2006 erstreckte und argumentieren, dass damals die Konkurrenz durch High Frequency Trading nicht gegeben oder weitaus geringer war.

 

Fazit

Die Erfolgsaussichten für Futures Daytrading sind extrem gering.

 

Quellen:

[1] Chague, F. / Giovannetti, B. / De-Losso, R. (2019), Day trading for a living?, Sao Paulo School of Economics & University of Sao Paulo

[2] Barber, B. / Lee, Y. / Liu, Y. / Odean, T. (2014), The Cross-Section of Speculator Skill: Evidence from Day Trading, Journal of Financial Markets, Vol. 18, S. 1-24

[3] Barber, B. / Lee, Y. / Liu, Y. / Odean, T. / Zhang, K. (2019), Learning, Fast or Slow, Working Paper

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