Die konservative Investmentformel

Die Autoren des Papers kritisieren, dass akademische Studien zu viele scheinbare Faktorprämien gefunden haben, von denen letztlich nur wenige wirkliche Signifikanz aufweisen. Diese Tendenz ist darauf zurückzuführen, dass für die einzelnen Forscher ein hoher Publikationsdruck besteht.

Das Ziel dieser Studie ist es dagegen, ein möglichst einfaches, leicht umsetzbares und liquides Long-only Portfolio auf Basis von Kriterien zu entwickeln, denen eine möglichst breite Auswahl an starken Faktoren zugrunde liegt. Konkret wird hierfür eine konservative Investmentformel vorgestellt, die 100 Aktien auf Basis drei einfacher Kriterien selektiert:

● niedrige Volatilität der Renditen

● hohe Netto-Auszahlungsquote

● starkes Momentum

 

Die Strategie wird wie folgt umgesetzt. Zum Ende jedes Quartals werden die größten 1000 Aktien nach Volatilität ihrer Renditen über die letzten 36 Monate gerankt und in zwei Gruppen (je 500 Werte) unterteilt. Für die Gruppe der Aktien mit niedriger Volatilität erfolgt anschließend ein Ranking nach Momentum (12-1) sowie Netto-Auszahlungsquote. Letztere berechnet sich aus der Dividendenrendite und der Veränderung der Anzahl ausstehender Aktien (aktuelle Anzahl vs. 24-Monats-Durchschnitt). Die beiden Ranking-Werte (1-500) für Momentum und Auszahlungsquote werden nun einfach gemittelt. Anschließend lassen sich daraus die Top 100 Aktien für das Portfolio im nächsten Quartal ermitteln, in die gleichgewichtet investiert wird.

 

konservative Investmentformel Faktoren Portfolio Schema
Die Grafik zeigt den Selektionsprozess für das konservative und spekulative Portfolio. NPY = Netto-Auszahlungsquote. Quelle: van Vliet, P. / Blitz, D. (2018)

 

In der Studie wird neben dem konservativen auch das umgekehrte, spekulative Portfolio berechnet. Hier werden aus den 500 Aktien mit der höchsten Volatilität die 100 mit dem schlechtesten durchschnittlichen Ranking aus Momentum und Auszahlungsquote selektiert. Für alle untersuchten Regionen weltweit zeigt demgegenüber das konservative Portfolio ein erheblich niedrigeres Risiko bei zugleich deutlich höheren Renditen. Die Renditedifferenzen betragen 12,8% pro Jahr in den USA, 14,2% in Europa, 17,2% in Emerging Markets und 8,8% in Japan. Dies verdeutlicht das hohe, globale Potenzial des faktorbasierten Investierens. Das dauerhaft niedrigere Risiko des konservativen Portfolios verdeutlicht zudem, dass die historische Volatilität ein guter Indikator für das künftige Risiko ist.

Die Autoren zeigen, dass ihre einfache Methodik die wichtigsten Faktorprämien am Markt abgreift, ohne dass komplizierte Modelle oder schwer zugängliche Daten notwendig sind. Tatsächlich sind zur Umsetzung lediglich Kurs- und Dividendendaten notwendig, sodass auf jegliche Buchhaltungs- und Bilanzkennzahlen verzichtet werden kann. Dies ermöglicht auch umfangreiche Rückrechnungen und Robustheit-Tests. Für US Large Caps (Top 1000) berechnen die Forscher beispielsweise eine jährliche Rendite von 15,1 Prozent im Zeitraum 1929-2016. Dieses Ergebnis ist besser als alle Kombinationen der Fama/French-Faktoren Size, Quality, Value und Momentum. Ein Test der nächstkleineren 1000 Aktien (US Midcaps) im Zeitraum 1970-2016 zeigt ähnliche Ergebnisse mit etwas höheren Renditen bei potenziell höheren Transaktionskosten. Für Europa und Japan (Zeitraum 1986-2016) sowie die Emerging Markets (1991-2016) werden für die jeweiligen Top-1000-Aktien ähnliche Resultate erzielt.

Die Autoren argumentieren, dass Momentum die höchste Prämie unter den klassischen Faktoren ermöglicht. Allerdings ist diese Prämie zugleich am schwierigsten zu erzielen, da sie einen hohen Portfolioumschlag erfordert. Die im Paper vorgestellte „Conservative Formula“ bietet den Kompromiss einer deutlichen Partizipation am Momentum-Faktor bei zugleich integrierter Umsetzung zusammen mit den übrigen Kriterien, was insgesamt einen vergleichsweise moderaten Portfolioumschlag ermöglicht.

Die Transaktionskosten betragen für alle untersuchten Märkte weniger als 10% der erzielten Renditen. Das liegt auch daran, dass Rebalancings im Portfolio nur auf Quartalsbasis vorgenommen werden. Dies begrenzt den Portfolioumschlag, der den wesentlichen Einflussfaktor auf die Transaktionskosten darstellt, auf rund 30% pro Quartal. Demnach werden die einzelnen Positionen im Durchschnitt knapp ein Jahr gehalten. In der Praxis lässt sich der Umschlag weiter verringern, indem beispielsweise Aktien erst bei Unterschreiten eines weiter entfernten Rangs ausgetauscht werden statt wie in den Rückrechnungen angenommen bereits ab dem 101. Platz.

 

konservative Investmentformel Faktoren Portfolio Rückrechnung Performance
Dargestellt sind die Rückrechnung der konservativen und spekulativen Strategie sowie die Performance der US Large Caps (Top 1000, gleichgewichtet) im Zeitraum 1929-2016. Quelle: van Vliet, P. / Blitz, D. (2018)

 

Fazit

Die 3 Kriterien niedrige Volatilität, hohe Auszahlungsquote und hohes Momentum greifen solide Faktorprämien ab und ermöglichen hohe Sharpe Ratios.

 

Quelle: van Vliet, P. / Blitz, D. (2018), The Conservative Formula: Quantitative Investing made Easy, Robeco Institutional Asset Management

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